Interkommunale Zusammenarbeit hilft Feuerwehren
Sabine Brakhan - Über Monate hinweg Stillstand beim praktischen Übungsdienst, Ausbildungsstau und nun auch noch nicht absehbare Lieferzeiten für bestellte und dringend benötigte Einsatzfahrzeuge. Für die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Hameln-Pyrmont reißen die Probleme, die durch die Folgen der Pandemie und des Ukrainekriegs hervorgerufen wurden, nicht ab.
Schwierigkeiten bei der Beschaffung von neuen Feuerwehr-Einsatzfahrzeugen hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben, aber nicht in dem aktuellen Ausmaß. Hatten Politik und Verwaltung grünes Licht für die Neubeschaffung signalisiert, stand das neue Fahrzeug nicht automatisch morgen auf dem Hof. Fahrzeugbauer und Ausrüster der speziell auf die Aufgaben des Löschwesens abgestimmten Sonderanfertigungen hatten schon immer Lieferzeiten von bis zu eineinhalb Jahren. Doch die aktuellen Lieferzeiten von bis zu drei Jahren sind eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten. „Von ursprünglich 15 Monaten hat sich die Lieferzeit um fast ein Jahr verlängert – Stand heute“, informierte Groß Berkels Ortsbrandmeister Stephan Schünke seine Kameradinnen und Kameraden im Rahmen der Jahreshauptversammlung. Ursprünglich sollte das neue, im September 2021 in Auftrag gegebene Tanklöschfahrzeug TLF 3000 Ende vergangenen Jahres ausgeliefert werden, mittlerweile rechnet der Ortsbrandmeister, dass das Einsatzfahrzeug frühestens zum kommenden Weihnachtsfest an die Stützpunktwehr übergeben werden kann. Dennoch gibt es für die Bevölkerung keinen Grund zur Sorge: „Wir sind einsatzfähig“, unterstreicht Stephan Schünke.
Bei der Freiwilligen Feuerwehr Reinerbeck sah das eine Zeit lang anders aus. Der TÜV hatte die Ortswehr und ihr 28 Jahre altes Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF) im April 2022 geschieden. Die Brandschützer waren daher nicht einsatzfähig. Für Reinerbecks Ortsbrandmeister Torsten Pieper keine überraschende Situation, hatte er doch schon im Vorfeld mehrfach auf den schlechten technischen Zustand des Fahrzeuges hingewiesen, wie er betont. Im vergangenen Monat wurde das neue TSF-W für Reinerbeck in Auftrag gegeben. Aktuell rechnet man in Aerzener Rathaus mit einer Lieferzeit von 16 Monaten, sodass die Auslieferung frühestens für Mitte 2024 terminiert werden kann. Um die Einsatzbereitschaft der Ortswehr wieder herzustellen, half die interkommunale Zusammenarbeit zwischen dem Flecken Aerzen und der Stadt Hessisch Oldendorf. „Die Stadt Hessisch Oldendorf konnte uns freundlicherweise gegen ein Entgelt ein baugleiches TSF überlassen. Nach der Durchführung der notwendigen Reparaturen können wir damit die zu erwartende Lieferzeit für das neue TSF-W überbrücken“, erklärt Holger Beyer, beim Flecken Aerzen für das Feuerlöschwesen zuständig. Als Reaktion auf die aktuellen Lieferschwierigkeiten wurden bereits eine geplante Neubeschaffung von Politik und Verwaltung vorgezogen, um den Lieferzeiten von mindestens 36 Monaten nicht buchstäblich ausgeliefert zu sein. Für das 25 Jahre alte Tanklöschfahrzeug TLF 16/25 der Stützpunktwehr Aerzen, dessen Nebengetriebe der Pumpe abgängig ist, steht die Beauftragung eines mindestens gleichwertigen Fahrzeuges daher unmittelbar bevor. Mit der Auslieferung rechnet Holger Beyer nicht vor Ende 2025/Anfang 2026. Interkommunale Zusammenarbeit lautete auch für die Freiwillige Feuerwehr Coppenbrügge das Zauberwort und bescherte ihnen vorübergehend einen Einsatzleitwagen (ELW) von der Freiwilligen Feuerwehr Hemmingen. Ihr eigenes Fahrzeug wies überraschend einen Motorschaden auf. Im Zuge der anschließenden Inspektion stellte sich außerdem heraus, dass auch die hintere Achsaufhängung einen Defekt aufwies, was alles in allem einem Totalschaden und die spontane Ausmusterung im April 2022 bedeutete. An einen schnellen Ersatz des für die Alarm- und Ausrückeordnung der Feuerwehr Coppenbrügge unverzichtbaren Fahrzeuges ist in Hinblick auf die aktuellen Lieferzeiten nicht zu denken, obwohl Politik und Verwaltung umgehend reagiert und ein Neufahrzeug in Auftrag gegeben haben. Ernüchternde Gewissheit brachte schließlich das Rohbaugespräch beim Aufbauhersteller in der vergangenen Woche: „Die Lieferzeit für unser Ford Transit-Fahrgestell beträgt mindestens zwei Jahre und der Ausbau beansprucht zusätzliche drei Monate, sodass wir wohl erst in 2025 mit der Auslieferung des neuen KdoW rechnen können“, erklärt Coppenbrügges Gemeindebrandmeister Hagen Bruns. Die Feuerwehr Coppenbrügge verbindet seit Jahren eine kameradschaftliche Freundschaft mit den Brandschützern aus Hemmingen. Da diese im Herbst letzten Jahres einen neuen ELW bekamen, stand das alte Fahrzeug als Ersatzwagen und für Transporte innerhalb der Wehr zur Verfügung, so Hemmingens Stadtbrandmeister Marc Wehrmann. Als die befreundete Wehr von der Not der Coppenbrügger erfuhr, boten sie an, ihren ELW als Überbrückungshilfe zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Modalitäten auf dem kleinen Dienstweg der interkommunalen Zusammenarbeit geregelt werden konnte, übergab Hemmingens Bürgermeister Jan Dingeldey seinem Amtskollegen aus Coppenbrügge, Hans-Ulrich Peschka, symbolisch die Fahrzeugschlüssel. Wie großzügig diese Geste ist, wird anlässlich der Vertragsunterzeichnung deutlich: Die Stadt Hemmingen stellt der Gemeinde Coppenbrügge lediglich den Versicherungsbeitrag plus Steuern für das Fahrzeug in Rechnung. Außerdem wurde das Fahrzeug vor der Übergabe noch einmal von der Feuerwehr aus der Region Hannover grundüberholt. „Bitte behandelt es in den kommenden Monaten pfleglich, wir überlegen, das Fahrzeug zu behalten“, gab Marc Wehrmann Hagen Bruns mit einem Augenzwinkern mit auf den Weg. Als Kommandowagen (KdoW) wird das Fahrzeug neben seiner eigentlichen Aufgabe beispielsweise auch für Materialtransportfahrten zur Feuerwehrtechnischen Zentrale nach Kirchohsen genutzt. Bürgermeister Peschka bedankte sich für die große Hilfe und auch Gemeindebrandmeister Bruns erklärte, dass diese großzügige Leihgabe die Feuerwehr in großes Stück weiterbringt. „Der KdoW ist einsatztechnisch und organisatorisch ein wichtiges Fahrzeug“, machte er deutlich. Die vorübergehende Bereitstellung des KdoW ist übrigens nicht die erste interkommunale Zusammenarbeit zwischen Coppenbrügge und Hemmingen. „Vor fünf Jahren konnten wir bereits einen gebrauchten Hilfeleistungssatz für die Ortswehr Bisperode übernehmen“, berichtet Hagen Bruns.